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SCL Tigers: Trainer Asterix im gallischen Dorf des Schweizer Hockeys

Tigers Head Coach Thierry Paterlini, Mitte, waehrend dem Qualifikations-Spiel der National League, zwischen den SCL Tigers und dem EV Zug, am Samstag 22. Oktober 2022, im Ilfisstadion in Langnau. (KEY ...
«Asterix» Paterlini schwört seine Mannen auf den Kampf gegen die «Römer» ein.Bild: keystone
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Trainer Asterix im gallischen Dorf des Schweizer Hockeys

08.10.2023, 14:3909.10.2023, 14:57

Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Die SCL Tigers haben nicht nur den defensiven Zerfall ihres Teams durch eine demonstrative Vertragsverlängerung mit dem Trainer gestoppt. Es ist ihnen auch noch gelungen, mit Aleksi Saarela den treffsichersten Stürmer der Liga zu halten. Wie ist das möglich?

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Die Zeichen stehen im Tal der heulenden Winde auf Sturm: In den ersten vier Partien kassieren die Langnauer 21 Gegentreffer (5,25 pro Spiel) und sie rutschen auf den letzten Platz ab. Ganz besonders bitter: In Bern geht das Derby mit 0:7 verloren. Für Trainer Thierry Paterlini wird das Eis dünn.

Nach dem 0:7 in Bern überrascht Sportchef Pascal Müller die Hockey-Welt mit der vorzeitigen Vertragsverlängerung um eine weitere Saison bis 2025 mit Trainer Paterlini. Nach vier Partien und 21 Gegentreffern! Er begnügt sich also nicht bloss mit den üblichen Sprüchen («Der Trainer ist kein Thema!»), die der Entlassung vorangehen wie der Blitz dem Donner. Doch die Kritik an dieser Prolongation ohne Not ist nicht unberechtigt. Die Gefahr, dass Thierry Paterlini abgeworben wird, ist ja klein.

Im Dorf gibt es erste Verschwörungstheorien: Das könne ja nicht gut kommen mit dieser finnischen Mafia! Denn Pascal Müller hat mit Saku Mäenalanen auch noch den fünften Finnen unter Vertrag genommen. Noch nie zuvor in der Geschichte unseres Hockeys hatte ein Klub im Oktober fünf finnische Spieler in Lohn und Brot: Saku Mäenalanen, Vili Saarijärvi, Harri Pesonen, Aleksi Saarela und Juuso Riikola. Drei Stürmer, zwei Verteidiger. Ein ganzer Block!

Und nun passiert etwas, das es so in unserem Hockey wahrscheinlich noch nie gegeben hat. Ein Tabellenletzter mit der löchrigsten Abwehr der Liga erholt sich in wenigen Spieltagen fast vollständig. In den sieben Partien seit der Vertragsverlängerung mit dem Trainer haben die Langnauer nur noch 14 Tore kassiert (2,0 pro Partie) und sechsmal gepunktet. In der Tabelle sind sie vom 14. auf den 10. Platz geklettert. Und darüber hinaus ist es Pascal Müller gelungen, den Vertrag mit Aleksi Saarela vorzeitig um ein Jahr zu verlängern. Der Finne ist der beste Torschütze der Liga (9 Tore in 11 Spielen).

Hinter dieser wundersamen Entwicklung steht ein Stück Hockeyromantik. Das Treuekenntnis zum Trainer, die darauffolgende Stabilisierung und die vorzeitige Verlängerung mit einem der begehrtesten Spieler der Liga stehen in einem direkten Zusammenhang.

Zum ersten Mal in seiner Geschichte nützen die Langnauer den Vorteil, das gallische Dorf des Hockeys zu sein. Hockeyromantik gibt es auch in Pruntrut und Ambri. Aber das Elsgau (deutsche Bezeichnung für die Ajoie) und die Leventina sind Randregionen. Langnau hingegen ist ein Dorf im Herzen der Schweiz. Das wilde Emmental beginnt erst hinter Langnau, das gleich beides hat: die Vorteile der urbanen Schweiz und die Gotthelf-Romantik.

Mit der Eisenbahn ist es bloss eine halbe Stunde zum Hauptbahnhof Bern und mit dem Bike zehn Minuten bis in die hügligen Traumlandschaften, die an Mittelerde aus dem Epos «Herr der Ringe» mahnen. Kurzum: Langnau bietet mit ziemlicher Sicherheit von allen Hockeystandorten die höchste Lebensqualität. Langnau ist nicht mehr durch seine Lage benachteiligt und profitiert zum ersten Mal in seiner Geschichte von seiner Lebensqualität. Langnau ist mit seiner dörflichen Romantik und gleichzeitigen Nähe zur Hauptstadt des Landes gerade für Finnen so etwas wie ein Hockey-Disneyland.

Blick auf Langnau, das gallische Dorf des Schweizer Hockeys.
Blick auf Langnau, das gallische Dorf des Schweizer Hockeys.bild: shutterstock

Langnaus fünf finnische Gastarbeiter könnten bei der Konkurrenz erheblich mehr Geld verdienen. Aleksi Saarela wäre dazu in der Lage, sein Salär auf nächste Saison durch einen Transfer um mindestens 30 Prozent zu erhöhen. Trotzdem hat er um eine Lohnerhöhung verlängert, die Gewährsleute «als Gewährung eines Teuerungsausgleiches» bezeichnen. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Aleksi Saarela gefällt es in Langnau. Deshalb bleibt er auch für etwas weniger Geld. Die Möglichkeit einer NHL-Karriere können sich ausländische Spieler mit einer dominierenden Rolle im Team in Langnau eher noch besser offenhalten als bei einem Grossklub. Die NHL-Scouts reisen regelmässig nach Langnau und wissen die währschafte Kost im Hirschen zu schätzen.

Dabei spielt Thierry Paterlini eine wesentliche Rolle: Der introvertierte, beinahe melancholisch wirkende Zürcher hat in seiner Art durchaus etwas von einer finnischen Mentalität mit kontrolliertem Temperament: Er tobt nicht. Langnaus Finnen mögen ihn. Gewährsleute sagen, Aleksi Saarela habe erst verlängert, nachdem er gewusst hatte, dass Thierry Paterlini auch nächste Saison an der Bande stehen wird.

Paterlinis Prätorianergarde

Jeder Trainer braucht seine Prätorianergarde. Die war im alten Rom für den Schutz des Kaisers verantwortlich. Der Trainer ist also auf einen Kreis von Leitwölfen angewiesen, die gut genug sind, um seine Ideen auf dem Eis umzusetzen und seine Autorität in der Kabine zu schützen. Arno Del Curto hat sich so in Davos oben 20 Jahre im Amt gehalten. Erst als sich mit Reto von Arx der Kommandant seiner Prätorianergarde in den Ruhestand zurückzog, ging seine biblische Amtszeit zu Ende.

Die fünf finnischen Spieler um Captain Harri Pesonen sind Thierry Paterlinis Prätorianergarde. Der defensive Zerfall nach dem Saisonstart war ja nicht eine Frage des Talents, sondern der Einstellung, der Konzentration und der Disziplin. Langnaus Finnen haben ihrem Trainer bei der Stabilisierung der Mannschaft geholfen und dafür gesorgt, dass Einstellung, Konzentration und Disziplin wieder stimmen. Nach dem ewigen Motto: «Mir gö nomau fürs Ämmitau.» Wohlwissend, dass das Leben unter einem neuen Trainer nicht angenehmer werden würde. 9 der 16 Tore in den letzten 7 Spielen haben die Finnen erzielt.

Tigers Head Coach Thierry Paterlini, links, und Postfinance Topscorer Aleski Saarela, rechts, waehrend dem Qualifikations-Spiel der National League, zwischen den SCL Tigers und dem EV Zug am Freitag 1 ...
Paterlini und Saarela verstehen sich bestens.Bild: keystone

So wie sich das gallische Dorf unter der Führung von Asterix im übermächtigen römischen Imperium behauptet, so gelingt es Langnau, sich unter der Führung von Thierry Paterlini («Trainer Asterix») und mit finnischer Hilfe gegen die wirtschaftlich übermächtige Konkurrenz im helvetischen Hockey-Imperium zu bestehen.

Inzwischen haben auch Vili Saarijärvi (um ein Jahr) und Torhüter Luca Boltshauser (bis 2026) ihre Verträge verlängert.

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quelle: keystone / ennio leanza
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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Eau Rouge
08.10.2023 18:32registriert Mai 2019
Wir wollen nicht gleich euphorisch werden. Es passt im Moment. Aber einmal mehr zeigt es sich, wie viel sich im Kopf abspielt. Und wenn nun Samuel Erni, der bei Leibe nicht der Filigrantechniker schlechthin ist - ( bärndütsch gseit - as Glänk meh aus ä Ghüderschufle het) - solche „Rähmen“ schreibt, muss das Selbstvertrauen intakt sein!!😉 Gut so Päscu, Thierry und Steve!🔥💯💪🏻
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Bergfux
08.10.2023 21:36registriert September 2021
In früheren Beiträgen war Langnau eine Randregion, zu wenig attraktiv und fehlendes Geld ein Thema. Jetzt aber auf einmal hoch attraktiv.
Was stimmt jetzt?
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